8.2.a, b Staatsdefizit und strukturelles Defizit
Der Finanzierungssaldo des Staates bezeichnet die Differenz zwischen den staatlichen Einnahmen und Ausgaben innerhalb eines bestimmten Zeitraums – in der Regel eines Jahres. Ist der Saldo negativ, übersteigen die Ausgaben die Einnahmen, was als Staatsdefizit bezeichnet wird. Im (nominalen) Finanzierungssaldo spiegeln sich regelmäßig konjunkturelle Schwankungen wider – etwa durch im Verhältnis zu den Einnahmen höhere Ausgaben in wirtschaftlichen Abschwungphasen oder durch höhere Einnahmen gegenüber den Ausgaben in Wachstumsphasen.
Beim sogenannten strukturellen Finanzierungssaldo wird versucht, vorübergehende konjunkturelle Effekte herauszurechnen. Er zeigt, wie hoch das Defizit oder der Überschuss wäre, wenn die Wirtschaft unter konjunkturell neutralen Bedingungen – also auf ihrem Produktionspotenzial – arbeiten würde. Der strukturelle Finanzierungssaldo liefert somit Hinweise auf die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen – unabhängig von kurzfristigen wirtschaftlichen Schwankungen.
Die Indikatoren dienen als Instrumente der Finanz- und Haushaltspolitik, insbesondere zur Beurteilung der fiskalischen Stabilität und zur Einhaltung von Verschuldungsregeln – etwa im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts der Europäischen Union (EU). Der nominale Finanzierungssaldo wird nach den Vorgaben des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) vom Statistischen Bundesamt berechnet. Dabei fließen die Finanzen aller Gebietskörperschaften – also von Bund, Ländern und Gemeinden – sowie der Sozialversicherung ein. Der strukturelle Finanzierungssaldo wird hingegen vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) ermittelt.
Beide Indikatoren werden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) dargestellt, um die fiskalische Situation eines Staates im Verhältnis zur Größe seiner Wirtschaftsleistung einordnen zu können. Diese Darstellung ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit sowohl im Zeitverlauf als auch zwischen verschiedenen Ländern.
Der Finanzierungssaldo Deutschlands unterliegt deutlichen Schwankungen. Die niedrigsten Werte seit 1991 wurden mit jeweils –4,4 % des BIP in den Jahren 2010 und 2020 verzeichnet – unmittelbar nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 sowie während der COVID-19-Pandemie. Beide Ereignisse führten zu zusätzlichen Staatsausgaben, etwa für Konjunkturpakete und Hilfsprogramme, sowie zu geringeren Einnahmen infolge wirtschaftlicher Einbrüche. Diese Entwicklungen spiegeln sich entsprechend im Indikator wider.
In den Jahren 2013 bis 2019 überstiegen die Einnahmen des Staates die Ausgaben, sodass positive Finanzierungssalden verzeichnet wurden. Den bisher höchsten Überschuss erzielte der Staat im Jahr 2018 mit 64,7 Milliarden Euro, was 1,9 % des BIP entsprach.
Seit dem Tiefststand im Jahr 2020 hat sich der Finanzierungssaldo nur teilweise erholt und weist weiterhin negative Werte auf. Im Jahr 2024 betrug der Saldo –116 Milliarden Euro beziehungsweise –2,7 % des BIP. Das politisch festgelegte Ziel, das Staatsdefizit auf maximal 3 % des BIP zu begrenzen, wurde damit im Jahr 2024 zwar eingehalten. Der langfristige Trend des Indikators deutet jedoch auf eine Verschlechterung der fiskalischen Lage hin.
Im europäischen Vergleich lag das Staatsdefizit Deutschlands im Jahr 2024 unter dem EU-Durchschnitt von 3,2 %. Zwölf Mitgliedstaaten wiesen ein höheres Defizit als Deutschland aus; acht Länder ein geringeres. Sechs Länder – Dänemark (+4,5 %), Zypern (+4,3 %), Irland (+4,3 %), Griechenland (+1,3 %), Luxemburg (+1,0 %) und Portugal (+0,7 %) – erzielten einen positiven Finanzierungssaldo.
Der Verlauf des strukturellen Finanzierungssaldos ähnelt naturgemäß dem des nominalen Finanzierungssaldos, weshalb auf eine detaillierte Beschreibung verzichtet wird. Durch die Herausrechnung vorübergehender konjunktureller Effekte kommt es jedoch seltener zu kurzzeitigen extremen Ausschlägen des Indikators.
Das politisch festgelegte Ziel sieht vor, dass das jährliche strukturelle Defizit maximal 0,5 % des BIP betragen soll. Im Jahr 2024 lag das strukturelle Defizit jedoch – wie bereits in den Jahren zuvor – mit 1,9 % des BIP deutlich über dem Zielwert.